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Namensgebung des Anita-Lichtenstein-Platzes

Rede des Schulleiters, Herrn LGED Böken, anlässlich der Namensgebung des Anita-Lichtenstein-Platzes am 25.10.2022:

Sehr geehrte Frau Bürgermeisterin Ritzerfeld,
sehr geehrter Herr Thul,
liebe Mitglieder der Initiative Erinnern,
meine sehr verehrten Damen und Herren,
liebe Kolleg*innen,
liebe Schüler*innen,
liebe Freund*innen unserer Schule,

mit großer Freude dürfen wir gemeinsam heute erleben, wie die Namensgeberin unserer Schule ein weiteres Mal symbolisch in ihren Heimatort Geilenkirchen zurückkehrt. Ich begrüße Sie und euch alle zur offiziellen Benennung dieses Platzes in „Anita-Lichtenstein-Platz“. Dieser Platz ist damit ein Ort, der mit seinem Namen Stellvertreter für alle sechs Millionen jüdischen Opfer des Nationalsozialismus und insbesondere für die ermordeten Kinder ist.

Dieser heutige Tag ist ein sehr besonderer! Als das Gründungsteam der Gesamtschule 1991 an den Start ging, wurde die Erinnerung an die schlimmen Ereignisse der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft und die an den jüdischen Mitbürger*innen und anderen Minderheiten begangenen Untaten in unserer Stadt nicht so wirklich groß geschrieben. Es herrschte zumeist die Einstellung vor, dass man diese Dinge besser ruhen lassen sollte. Das aber hielten und halten wir für den absolut falschen Weg. Ganz im Sinne Santayanas meinen auch wir, dass die, die sich des Vergangenen nicht erinnern, dazu verdammt sind, es wieder erleben zu müssen.

Gerne hätte ich auch heute Frau Goertz, die Freundin von Anita Lichtenstein, hier unter uns begrüßt. Leider befindet sie sich seit vorletzter Woche in stationärer Behandlung im hiesigen Krankenhaus. Wir senden ihr von dieser Stelle die herzlichsten Genesungswünsche.

Ein besonderer Gruß gilt Ihnen, sehr geehrter Herr Thul, als Geschäftsführer der Jüdischen Gemeinde Aachen! Sie würdigen unsere Arbeit durch Ihr Kommen! Herzlichen Dank dafür!

Für mich persönlich ist dieser 25. Oktober 2022 ein Dejavus. Schon sehr schnell nach unserer Schulgründung wurde Anfang 1994 unter der Regie unseres Gründungsschulleiters Klaus Braun in enger Kooperation mit dem Geilenkirchener Ehrenratsherrn Hermann Wassen der damaligen Gesamtschule Geilenkirchen der Name „Anita-Lichtenstein-Gesamtschule“ gegeben, etwas mehr als ein Jahr vor meinem Ruhestand darf ich als Schulleiter die feierliche Namensgebung des Anita-Lichtenstein-Platzes eröffnen.

Dieser Tag und dieser Anlass berühren mich sehr tief, zeigen sie doch, dass wir in den mittlerweile über 31 Jahren unserer stetig wachsenden Erinnerungsarbeit Großes geschafft haben.

Seit vielen Jahren arbeiten wir sehr erfolgreich mit der Initiative Erinnern Geilenkirchen zusammen, seinerzeit durch die parlamentarische Staatssekretärin a.D., Christa Nickels, gegründet und seit einigen Jahren durch meinen Kollegen Hans Bruckschen koordiniert. Liebe Frau Nickels, es freut uns sehr, dass Sie heute hier zu Gast sind, begleiten Sie doch die Arbeit unserer Schule seit ihrer Gründung über viele Jahre!

In diesen über 31 Jahren wurde viel geschafft, der jüdische Friedhof durch unsere Schulgemeinde immer wieder besucht und gepflegt, ein Gedenkstein für die Familie Lichtenstein errichtet, das ehemalige Wohnhaus der Familie Lichtenstein in der Martin-Heyden-Straße wurde als Stätte der Erinnerung barrierefrei kenntlich gemacht, an vielen Stellen wurden Stolpersteine zur Erinnerung an die deportierten jüdischen Mitbürger*innen niedergelegt, viele Veranstaltungen zur Erinnerung an die Gräueltaten der Nationalsozialisten wurden durchgeführt, im Sommer der Platz vor dem Bischöflichen Gymnasium St. Ursula in „Christel-und-Hermann-Wassen-Platz“ benannt, aber unser Auftrag ist keineswegs erledigt.

Die Schändung dieses Friedhofes am 30. Dezember 2019 sowie die dann alles andere als zeitnah zumindest ansatzweise versuchte juristische Aufarbeitung dieser Tat haben allen Geilenkirchener*innen mehr als deutlich vor Augen geführt, wie wichtig unsere gemeinsame Erinnerungsarbeit real ist. Und, und das ist meine feste Überzeugung, sie wird auch ebenso wichtig bleiben.

An dieser Stelle ein ganz herzliches Dankeschön an den städtischen Bauhof, der nach der Schändung in Windeseile die erheblichen Schäden beseitigt hat!

Die Täter des 30. Dezember 2019 haben mit ihrer Tat das genaue Gegenteil dessen erreicht, was sie erwirken wollten. Sie haben letztlich dazu beigetragen, dass ab heute hier an dieser Stelle noch nachdrücklicher an die schlimmen Schicksale ehemaliger Nachbarn und Freunde erinnert wird.

Ich weiß, dass die Nachfahren der damals Vertriebenen und Ermordeten, alle weit über den Globus verteilt, von Israel über Kanada bis in die USA, nicht erst seit der Friedhofsschändung 2019 sehr genau auf diese Stadt schauen und sehr genau beobachten, was konkret geschieht, damit das Schicksal ihrer Vorfahren nicht vergessen wird.

Auch hier gilt das, was Bundespräsident Steinmeier am 6. September dieses Jahres anlässlich des Besuches des israelischen Staatspräsidenten Herzog in Anlehnung an Santayana in Bergen-Belsen gesagt hat: "Was sich nicht wiederholen soll, darf nicht vergessen werden."

Diese Aussage unseres Staatsoberhauptes macht in ihrer Kürze und Prägnanz deutlich, wie wichtig unsere gemeinsame Erinnerungsarbeit ist.

Wir werden in unserer Arbeit, die schrecklichen Ereignisse der Jahre 1933 bis 1945 zu erinnern, nicht nachlassen!

Ein herzliches Dankeschön an unseren Schulchor unter der Leitung von Maria Slagboom für die musikalische Umrahmung dieser Feier, Ihnen allen danke ich für Ihre Aufmerksamkeit und übergebe das Mikrofon an die erste Bürgerin unserer Stadt!

Shalom!