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Erste Stolpersteine gegen das Vergessen verlegt

Unsere Stadt Geilenkirchen war Heimat einer der größten jüdischen Gemeinden in der Region Aachen. Ihre Mitglieder wurden unmittelbar nach der Reichspogromnacht von den Nationalsozialisten aus der Stadt vertrieben. Einige konnten sich retten, viele wurden deportiert und in Vernichtungslagern ermordet. Niemand von den Überlebenden kehrte in unsere Stadt zurück.

Das Gedenken an die vertriebenen, deportierten und ermordeten Geilenkirchener mit  jüdischem Glauben - und an Personen, die aus religiösen, weltanschaulichen oder politischen  Gründen verfolgt worden sind, was noch zu erforschen ist - in einer kleinen Stadt wie der unseren, in der die Erinnerung Generationen übergreifend ist, fällt nicht leicht. Scham und Trauer über das Geschehene mischen sich bei manchen mit der Sorge, dass das Erinnern Gräben unter den heute Lebenden aufreißen könne. Manche möchten mit dieser schrecklichen Zeit unserer Geschichte nicht mehr behelligt werden.

Dennoch gehören die während der Hitlerzeit aus unserer Stadt Vertriebenen, Verfolgten, Deportierten und Ermordeten zu uns und unserer Stadtgeschichte. Ihr Andenken, ihre Namen und Schicksale, ihre Verdienste um Geilenkirchen aus der Geschichte unserer Stadt ausradiert zu lassen wäre ein später Triumph des nationalsozialistischen Regimes. Das dürfen wir nicht zulassen. Wir müssen die Betroffenen durch unsere Erinnerung in unsere Stadt zurückholen. Das tun wir auch für uns selber; denn was wir verdrängen kommt in neuem Gewand wieder.

Der Künstler Gunter Demnig (Foto oben) erinnert an die Opfer der NS-Zeit, indem er vor ihrem letzten selbst gewählten Wohnort Gedenktafeln aus Messing ins Trottoir einlässt. Inzwischen liegen diese sogenannten Stolpersteine in über 500 Orten Deutschlands und in mehreren Ländern Europas. "Ein Mensch ist erst vergessen, wenn sein Name vergessen ist", zitiert Gunter Demnig aus dem Talmud. Mit den Steinen vor den Häusern wird die Erinnerung an die Menschen lebendig, die einst hier wohnten.

Am 05.03.2013 wurden ab 09:00 Uhr die ersten 27 Stolpersteine in Geilenkirchen verlegt. Es begann mit der Verlegung der drei Steine für unsere Namensgeberin Anita Lichtenstein und ihre Eltern Hanna und Sally Lichtenstein vor dem ehemaligen Wohnhaus der Familie Lichtenstein in der Martin-Heyden-Straße (siehe Foto).

Stellvertretend für die vielen Wortbeiträge, die im Laufe der Verlegung der Steine erfolgt sind, hier die Ansprache von Friederike Goertz, der Freundin unserer Namensgeberin Anita Lichtenstein, anlässlich der Verlegung der drei Stolpersteine für Familie Lichtenstein:

"Unser Versprechen an die Toten!

In der jüdischen Tradition handelt das Kaddisch – das Trauergebet – nicht vom Tod sondern vom Leben. Es preist Gott, weil „Er“ eine gute und lebenswerte Welt geschaffen hat. Der Trauernde, der dieses Gebet spricht, soll sich an das Gute und Wertvolle im Leben erinnern.

Hier geht es also nicht darum, das tragische Schicksal abzulehnen, sondern vielmehr darum zu akzeptieren, dass es Teil des übrigen Lebens in unserer Welt ist. Wir konnten das Leiden derer, die dieses tragische Schicksal erleben mussten, nicht verhindern. Doch es gibt etwas, das wir noch für Jene, die wir verloren haben, tun können. Wir können sie durch unser Handeln nach ihrem Tode weiterleben lassen.

Heute zeigen Sie, dass Sie sich den Opfern der Shoah verbunden fühlen und den ehemaligen jüdischen Mitbürgern von Geilenkirchen durch die Stolpersteine mit ihren Namen wieder eine Heimat geben. Denn wir schauen nicht weg und werden nicht vergessen.

Das Geheimnis der Unsterblichkeit ist die Erinnerung!

„Shalom“

Geilenkirchen, den 5. März 2013"

Die Initiative, die sich seit geraumer Zeit unter der Federführung der parlamentarischen Staatssekretärin a.D. Christa Nickels mit diesem Projekt beschäftigt, freut sich über jede (noch so  kleine) Spende, die zur Finanzierung der ersten Stolpersteine sowie weiteren noch folgenden beitragen kann. Nähere Informationen erhält man auf der Webseite der Initiative bzw. in dem Flyer, der als PDF-Datei heruntergeladen werden kann.