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Besuch des Superintendenten des Kirchenkreises Jülich

Superintendent Pfarrer Jens Sannig und Schulreferentin Bernhild Dankert vom Kirchenkreis Jülich waren zu Besuch in der Anita-Lichtenstein-Gesamtschule in Geilenkirchen. Im Gespräch mit Schulleitung, Fachkonferenz Religion sowie Schülerinnen und Schülern verschafften die beiden sich einen Eindruck vom Leben und Arbeiten im Alltag dieser Schule.

Anita Lichtenstein, Namensgeberin der Schule, war ein junges Mädchen aus Geilenkirchen, das von den Nationalsozialisten im KZ ermordet wurde. Ein Gedenkstein auf dem jüdischen Friedhof der Stadt (siehe oben!) erinnert an sie und ihre Familie. Die Schule hält an jedem 9. November auf diesem Friedhof und am Platz der 1938 zerstörten Geilenkirchener Synagoge eine Gedenkfeier für die Opfer der Shoah. Im Schulgebäude erinnern Fotos und Gegenstände an Anita Lichtenstein und ihre Familie. Jeweils alle 9. Klassen fahren gemeinsam nach Krakau und Auschwitz. Religionslehrer Adalbert Wolynski organisiert diese Fahrt und bereitet sie vor. Die Themen „Rassismus und seine möglichen Folgen“ und „Toleranz“ werden in verschiedenen Unterrichtsfächern und durch alle Jahrgangsstufen behandelt und gehören so zum Alltag der Schule. Schon die Schülerinnen und Schüler der 5. Klasse konnten den beiden Gästen vom Kirchenkreis die Geschichte von Anita Lichtenstein erzählen.

Kinder in aller Welt: Gespräch mit Schülerinnen und Schülern
Und ebenso erfuhren Superintendent und Schulreferentin beim Gespräch in der Klasse 5.1, dass man in der gesamten Schule Unterschriften gesammelt habe: Der Mitschüler Alhassane Keita, ein Flüchtling aus Mali, solle auf diese Weise vor der Abschiebung bewahrt werden, damit er seinen Schulabschluss erreichen und eine Ausbildung absolvieren könne. Und selbstverständlich konnte Joyce erklären, was Abschiebung bedeutet. In einem sehr lebhaften und engagierten Gespräch berichteten die Kinder über die Themen, die sie im Religionsunterricht behandeln: Sie erfuhren zum Beispiel beim Thema „Kinder in aller Welt“, wie unterschiedlich Mädchen und Jungen leben (müssen); Kinderarbeit wurde ebenso besprochen wie die Problematik der Kindersoldaten oder die Arbeit von UNICEF, dem Kinderhilfswerk der Vereinten Nationen. Gefragt, was die Besucherin und der Besucher sich unbedingt in der Schule ansehen müssten, wurde an erster Stelle die Mensa „mit dem leckeren Essen“ genannt. Aber auch das Tierhaus die Turnhalle oder der Computerraum wurden der Aufmerksamkeit empfohlen. Intensiv beschrieben wurde der „Trainingsraum“. Schülerinnen und Schüler, die mehrfach den Unterricht stören, erfahren hier ein Training zur Verhaltensänderung. Und damit der Superintendent und die Schulreferentin alle Tipps aus der Klasse behalten könnten, hatte Joyce ihnen parallel zu ihrer intensiven Mitarbeit in der Schulstunde mal eben eine Liste geschrieben, die abzuarbeiten und abzuhaken war. Multitasking in Reinform.

 Inklusion, Toleranz und Solidarität: Gespräch mit der Schulleitung
Schulleiter Uwe Böken, seine Stellvertreterin Roswitha Steffens, Christel Wolter (Didaktische Leiterin) und Karl-Gerd Steffens (Vorsitzender des Fachkonferenz Religion) informierten die beiden Gäste vom Kirchenkreis Jülich über die Schule und ihre Besonderheiten. Im Jahr 1991 gegründet, besuchen jetzt knapp 1000 Schülerinnen und Schüler die Einrichtung. Zur Schule gehören bis 2019 auch zwei Klassen des ehemaligen „Eichendorff-Kollegs für spätausgesiedelte Abiturientinnen und Abiturienten“ vom Loherhof in Geilenkirchen. Die Anita-Lichtenstein-Gesamtschule (ALG) sei ein stabiler Schulstandort.


U. Böken, Chr. Wolter, R. Steffens, K.-G. Steffens, J. Sannig und B. Dankert (v.l. im Uhrzeigersinn)


Von den Schülerinnen und Schülern seien ca. 20% evangelisch. Pfarrerin Anne Siebrands sei für den evangelischen Teil des Religionsunterrichtes (RU) verantwortlich, 12 Lehrkräfte für den katholischen RU. Der gesamte RU werde im Klassenverband erteilt, und zwar mit jeweils 2 Wochenstunden in allen Jahrgängen einschließlich RU als Abiturfach. Nach Möglichkeit liege der RU nicht in Randstunden. Es gebe kaum Abmeldungen vom RU. Die Botschaft, die Schulreferentin und Superintendent gerne zur Kenntnis nahmen: Religionsunterricht genießt an der ALG ein hohes Ansehen. Man bemühe sich, im Alltag der Schule Inklusion zu leben. Es gebe noch einige bauliche Veränderungen, die hier erforderlich seien. (Beim Gespräch in der Klasse 5.1. begegneten die Gäste einer Lernbegleiterin, die einem sehbehinderten Mädchen während des kompletten Unterrichtes assistiert.) Natürlich waren auch der Name und das damit verbundene Selbstverständnis der Schule Thema des Gespräches. Toleranz werde an der Schule gelebt. Und die Erinnerung an die jüdischen Menschen, die in Geilenkirchen gelebt haben, werde auch die Schule wach gehalten. Die Initiative „Erinnern“ in Geilenkirchen werde durch den Lehrer Hans Bruckschen koordiniert (Stolpersteine, Besuch des jüdischen Friedhofes, Gedenkfeiern etc.). „Auschwitz hat Folgen für das Denken und das Verhalten, das wir an unserer Schule zu leben versuchen“, so Schulleiter Uwe Böken. Und ein gutes Beispiel für gelebte Solidarität sei die Unterschriftenaktion für Alhassane Keita.


J. Sannig, B. Dankert und U. Böken (v.l.)

Schülerinnen und Schüler und ihre eigene Fragen: Gespräch mit Fachkonferenz RU
Nach einem ausgedehnten Rundgang durch die Schule entsprechend den Anregungen der Klasse 5.1. und der Liste von Joye Gono schloss ein Gespräch mit Mitgliedern der Fachkonferenz Religion den Vormittag ab. Gabriele Czech, Anika Evertz, Gunnar Kütemeier, Karl-Gerd Steffens, Carolin Steinbusch, Anne Tholen und Schülervertreter Ibrahim Cil (Pfarrerin Anne Siebrands fehlte wegen Erkrankung) wurden vom Superintendenten über seine Funktion und seine Aufgaben aufgeklärt (u.a. Dienstvorgesetzter und zugleich Seelsorger der Pfarrerinnen und Pfarrer in den 19 Gemeinde des Kirchenkreis Jülich sowie an Schulen, Krankenhäusern und in der Justizvollzugsanstalt Heinsberg, Vertreter des Kirchenkreis nach außen und vieles mehr). Auch in dieser Gesprächsrunde war der Name und das damit verbundene Programm der Schule Thema. Das Thema „Holocaust“ werde ab Klasse 5 in verschiedenen Fächern behandelt und damit zugleich die Fahrt der Jahrgangsstufe 9 nach Auschwitz vorbereitet. Die eigentliche Vorbereitung der Fahrt sei dann sehr intensiv. Die gute Zusammenarbeit zwischen katholischen Lehrkräften und Pfarrerin Siebrands auf evangelischer Seite sei ein absoluter Gewinn. Schülerinnen und Schüler erführen im RU nicht nur die wichtigen Dinge über die jeweils eigene Konfession/Religion, sondern lernten auch kennen, was „die anderen glauben“. Und in der Begegnung von evangelischen, katholischen oder auch islamischen Schülerinnen und Schülern bekomme die theoretische Information ein ganz praktisches und anschauliches Gesicht. Man bereichere sich gegenseitig. Und Diskussion, offene Fragen, abweichende Meinungen seien im RU absolut erwünscht. Die Chance des Systems: „Schülerinnen und Schüler lernen einander als Menschen kennen jenseits aller Ideologie.“ Im RU könnten die Schülerinnen und Schüler existentielle Fragen stellen. Sie kommen also mit ihrer ganzen Person, mit ihren Fragen, Träumen, Problemen im Unterricht vor und werden ernst genommen. Auch hier werde Toleranz als Teil des Schulprogramms gelebt. Der RU leiste Angebote zur Orientierung, entscheiden müssten die Schüler selbst.

Am Ende des Gespräches und am Ende des Schulbesuches dankte der Superintendent ganz herzlich für die guten Gespräche. Er dankte den Lehrerinnen und Lehrern für ihren wichtigen Dienst. „Sie werden von den Schülerinnen und Schüler als Kirche wahrgenommen!“ Er wünschte Ihnen für die Arbeit gutes Gelingen und Gottes Segen.

Superintendent Sannig und Schulreferentin Dankert verließen die Schule mit dem Eindruck, einen ganz besonderen Vormittag erlebt zu haben.

© Text und Fotos: Johannes de Kleine, Kirchenkreis Jülich

Nähere Informationen zum Kirchenkreis Jülich finden Sie unter www.kkrjuelich.de.