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Entlassungsfeier 2002

Rede des Schulleiters Herr Braun zur Entlassfeier am 08.07.2002

Liebe Entlassschülerinnen und Entlassschüler, liebe Eltern, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, meine Damen und Herren,
junge Menschen aus der Schule zu entlassen, das bedeutet immer auch das Abschiednehmen von einem Teil unseres Lebens, in dem wir miteinander eine kurze Wegstrecke gegangen sind und füreinander sehr nahe da waren. So freue ich mich, dass wiederum zahlreiche Gäste den Weg zu uns gefunden haben, um mit uns gemeinsam zu feiern. Seien Sie alle ganz herzlich begrüßt und willkommen!
Aus der Schar der Gäste möchte ich den Bürgermeister unserer Stadt, Herrn Franz Beemelmanns, namentlich begrüßen.
Ein besonderer Gruß gilt natürlich den Schülerinnen und Schülern mit ihren Eltern, Großeltern, Bekannten und Freunden, die heute entlassen werden.
Ich wünsche uns allen mit den Gästen aus Politik, den Kirchen, den Banken und Vertretern der Schulen, des Fördervereins und der Schulpflegschaft eine schöne Feierstunde.
Vor dieser Feier ist in einem ökumenischen Gottesdienst schon Dank gesagt worden. Das möchte ich hier bewusst nochmals in dieser Feier tun.

 

Ein wichtiges Ziel erreicht man immer nur, wenn man sich selbst anstrengt und gute Wegbegleiter an seiner Seite hatte. Wer auch immer diese wichtige Rolle in eurem Leben, liebe Entlassschülerinnen und Entlassschüler, angenommen hat, dem gilt nicht nur in dieser Stunde ein besonderer Dank!
Der japanische Spruch „ Kein Weg ist zu lang, mit Freunden an deiner Seite“ wird auch nach dieser Feierstunde gelten. In diesen Dank möchte ich als Schulleiter das Team aus Kolleginnen und Kollegen und Mitarbeitern dieser Schule einschließen. Was diese Wegbegleiter vor allem in der letzten Phase, aber eben nicht nur in dieser, geleistet haben, findet meine uneingeschränkte Hochachtung. Wenn ich hier stellvertretend die Kolleginnen und Kollegen namentlich erwähne, die euch als Klassenlehrerinnen bis hier zu dieser Feier geführt haben, dann schmälert dies nicht die Leistung des gesamten Teams.

So möchte ich mich bei meinem Abteilungsleiter Jörg Gaab und den Klassenlehrerinnen
Frau Jessen-Robertz, 10.1
Frau Vosskämper, 10.2
Frau Pohlen, 10.3
Frau Schnock, 10.4 besonders bedanken.

Bei Frau Schnock soll nicht unerwähnt bleiben, dass sie als Beratungslehrerin diesmal in doppelter Funktion gewirkt hat. Sie alle haben nun wirklich alles gegeben, sie waren Vorbild in ihrem pädagogischem Engagement. Verabschiedet werden nun 33 mit HS Abschluss, 37 mit FOR und .22 mit Qualifikation zum Besuch der gymnasialen Oberstufe. Allen einen herzlichen Glückwunsch zum Abschluss, der eigentlich nur eine wichtige Etappe in eurem Leben ist. Zwar lässt euch die Schulpflicht noch nicht ganz los. Die Berufsschule wartet noch auf euch oder ihr bleibt noch hier mit der Absicht, Abitur zu machen. Doch ein Gipfel ist erreicht. Der Weg war mühsam und manchmal auch durch Umwege oder gar Sackgassen nicht immer einfach.

Wenn ihr jetzt, liebe Schülerinnen/Schüler, einen weiteren Abschnitt auf dem Weg durchs Leben beginnt, dann wird sich zeigen, ob ihr Wesentliches gelernt habt. Ich will einen zentralen Punkt herausgreifen, der heute, und ich glaube auch zukünftig, an Bedeutung nicht verlieren wird, es ist soziale Verpflichtung. Das ist beileibe kein hohles Wort, auch wenn es leider heute in manchen Ohren so klingen mag. Es bedeutet auch nicht unbedingt, während der Mathematik- oder Englischarbeit dem Nachbarn abschreiben zu lassen, nein, soziale Verpflichtung, das ist einfach der Punkt, wo es darauf ankommt, eure Fähigkeit, Freiheit und Unabhängigkeit für euch, aber auch für die Gemeinschaft zu gebrauchen, aber nicht zur bloßen Ellenbogenfreiheit verkommen zu lassen, zu einer Radfahrermentalität, wo nach oben gebuckelt und nach unten getreten wird. Auch diese Einsicht haben wir versucht euch deutlich zu machen, und ich hoffe und glaube, dass uns dies gelungen ist.

Leider scheint gerade dieser Punkt bei der aktuellen Bildungsdiskussion völlig in den Hintergrund zu treten. Doch gerade hier könnten wir in der Bundesrepublik wirklich lernen von den Testsiegern Finnland oder Schweden. Zu befürchten ist, dass die jetzt diskutierten Unterschiede das verdecken, was Aussage der Pisa-Studie ist:( bei uns wird zu früh, falsch und sozial einseitig sortiert. Die in Deutschland erwünschten homogenen Lerngruppen haben offensichtlich nicht zu den gewünschten Ergebnissen geführt. (Der Bildungsforscher Prof. Klemm formuliert dies noch viel drastischer). Jetzt werden zusätzliche Tests oder gar zentrale Testverfahren angekündigt. Ich fürchte, dass diese Tests aber erneut als Auslesekriterien genutzt werden sollen und nicht, wie die Studie es fordert, als Ansatz für Förderung dienen werden.

Dass eine Rede aus Anlass einer Schulentlassung an den aktuellen Diskussionen nicht vorbei gehen kann, liegt auf der Hand. Sie sollte aber nicht zum Zentrum dessen werden, was man Schülerinnen und Schülern noch so mitgeben möchte, wenn sie nun die Schule verlassen. Bei meiner Vorbereitung zu dieser Entlassrede habe ich mir wieder überlegt, wie so oft schon, welche wichtigen Regeln im Zusammenleben noch in zwanzig und vierzig Jahren. gelten. Vieles von den Regeln der englischen Grammatik, der mathematischen Gesetze, die wir versucht haben euch beizubringen, gelten dann noch. Doch sie sind nicht eigentlich wichtig, wenn es um Spielregeln des menschlichen Zusammenlebens geht. Dabei fiel mir eine Anekdote ein, die ich vor Jahren gelesen habe, und die das, was ich zur sozialen Verantwortung sagen möchte, deutlich macht, was Lebens – und Schulzeiten überdauern wird und muss.

Anekdote:
Ein Weiser mit Namen Choni ging einmal über Land und sah einen Mann, der einen Johannisbrotbaum pflanzte. Er blieb bei ihm stehen und sah ihm zu und fragte: „Wann wird das Bäumchen wohl Früchte tragen?“
Der Mann erwiderte: „In siebzig Jahren.“
Da sprach der Weise: „Du Tor! Denkst du in siebzig Jahren noch zu leben und die Früchte deiner Arbeit zu genießen? Pflanze lieber einen Baum, der früher Früchte trägt, dass du dich ihrer erfreust in deinem Leben.“
Der Mann aber hatte sein Werk vollendet und sah freudig darauf, und er antwortete: „Rabbi, als ich zur Welt kam, da fand ich Johannesbrotbäume und aß von ihnen, ohne dass ich sie gepflanzt hatte, denn das hatten meine Väter getan. Habe ich nun genossen, wo ich nicht gearbeitet habe, so will ich einen Baum pflanzen für meine Kinder oder Enkel, dass sie davon genießen. Wir Menschen können nur bestehen, wenn einer dem anderen die Hand reicht...“
Reicht dem andern die Hand, der eure Hilfe braucht, das können Menschen sein, die ihr am Arbeitsplatz trefft, neue Klassenkameraden . Das können Alte oder Behinderte sein, Arbeitslose, Ausländer. Reicht anderen die helfende Hand und nehmt Rücksicht und nicht die Ellbogen.
Wobei Rücksichtnahme – wie die Legende mit den Johannesbrotbäumchen zeigt – nicht nur gegenüber den Mitmenschen nötig ist, sondern auch gegenüber künftigen Generationen.
Noch etwas wünsche ich euch:
Wir Menschen neigen nun einmal dazu, das was wir haben, gedankenlos zu konsumieren, statt es zu genießen und dankbar zu sein. Dabei geht es auch manchmal darum, nicht alles durchsetzen zu wollen, wozu wir glauben, Recht zu haben, uns aber auch für einen Fehler zu entschuldigen. Durch ein solches Verhalten verlieren wir nicht unser Gesicht, sondern nur die Maske vor unserem Gesicht.
Wie die anderen Menschen auf uns reagieren, das hängt wesentlich auch von uns selber ab. Eine abschließende Fabel aus Indien zeigt das recht anschaulich und braucht keinerlei Erklärung oder Deutung.
Eines Tages kam ein Hund in den Tempel der tausend Spiegel. Er schaute in tausend Spiegel, sah tausend Hunde, bekam Angst, knurrte, zog den Schwanz ein und verließ den Tempel in der Überzeugung: die Welt ist voll böser Hunde. Kurze Zeit später kam ein anderer Hund in den gleichen Tempel, sah in tausend Spiegeln tausend Hunde, freute sich darüber, wedelte mit dem Schwanz und verließ den Tempel mit dem Bewusstsein: die Welt ist voll freundlicher Hunde.

Ich komme zum Ende.
Ich bin mir sicher, dass alle diejenigen, die jetzt in eine Berufsausbildung treten, die noch weitere schulische Abschlüsse erwerben wollen, hier oder an einer anderen Schule und auch die, die jetzt noch keinen Ausbildungsplatz haben, ihren Weg machen werden. Die Voraussetzungen habt ihr erworben. Ich wünsche euch Glück dazu.

Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.