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Entlassungsfeier 2006

Rede des Schulleiters Klaus Braun für die Abschlussfeier am 06.06.2006

Der 10er Abschluss 2006 der Anita-Lichtenstein-Gesamtschule findet heute seinen feierlichen Abschluss. Für die Anita-Lichtenstein-Gesamtschule ist dies der 10. Entlassjahrgang in der jungen Geschichte der Schule.
So freue ich mich, dass wiederum zahlreiche Gäste zu dieser Feier den Weg zu uns gefunden haben. Seien Sie alle ganz herzlich begrüßt und willkommen. Wenn ich aus der Schar der Gäste Herrn Bürgermeister Andreas Borghorst und den Beigeordneten Herbert Brunen namentlich erwähne, dann unterstreicht dies, dass die Anita-Lichtenstein-Gesamtschule eine Schule in städtischer Trägerschaft ist, die heute wiederum 116
Schülerinnen und Schüler des 10. Jahrgangs feierlich verabschiedet. Ein besonderer Gruß gilt natürlich genau diesen Schülerinnen und Schülern mit ihren Eltern, Großeltern, Bekannten und Freunden. Ich wünsche uns allen mit den Gästen aus Politik, den Kirchen, den Banken und Vertretern der Schulen eine schöne Feierstunde. Vor dieser Feier ist in einem ökumenischen Gottesdienst schon Dankgesagt worden. Das möchte ich hier bewusst nochmals tun.In meinem Vorwort für eine Abiturzeitung zitierte ich die amerikanischeSchriftstellerin Pearl S. Buck.

Sie ist der Ansicht, die Jugend solle „ihre eigenen Wege gehen“. Ich denke, liebe Schülerinnen und Schüler, das habt auch ihr gut umgesetzt. Und wie man sieht, haben diese Wege euch ja auch zu diesem Etappenziel gebracht. Aber ich denke, ihr werdet mir rückblickend zustimmen, wenn ich im Wortlaut von Pearl S. Buck fortfahre: Eigene Wege ja, „aber ein paar Wegweiser können nicht schaden.“ Euer Weg zum Abschluss war sicher nicht immer eben, manchmal voller Stolpersteine und Hürden, die euch vorübergehend die Orientierung nahmen. Doch stets hattet ihr engagierte Lehrerinnen und Lehrer an eurer Seite, die euch auch in schwierigen Momenten den „Weg weisen“ konnten.

Ich denke mir, dass ihr mit euren Lehrern gelernt habt, euch auf neue Wege zu besinnen, neue Wege und Systeme zu finden, um das Leben (auch das Arbeitsleben) zu meistern. Doch ihr habt hier gelernt und auch praktiziert, dass all das, was ich beschrieben habe nicht zu einer Ellenbogengesellschaft führen darf. Gerade heute ist Menschlichkeit gefordert, Werte zu zeigen, sie zu vertreten, dafür einstehen, das Rückgrad nicht verbiegen zu lassen. Natürlich gehören Power, Elan, Energie und Teamfähigkeit zu den Schlüsselqualifikationen der veränderten Zeit! Doch es gilt genauso, menschlich und gerecht und fair zu bleiben, Erfolg zu haben, doch nicht auf Kosten anderer.

Ich verhehle nicht, dass ich als Schulleiter stolz bin auf die erfolgreiche Arbeit meines Teams aus Kolleginnen und Kollegen und Mitarbeitern dieser Schule. Hier möchte ich meinen Abteilungsleiter Herrn Jörg Gaab, und die Klassenlehrer/Klassenlehrerinnen besonders erwähnen, ohne aber die Leistungen des gesamten Teams zu schmälern. Klassenlehrer des Entlassjahrgangs waren:
10.1 Frau Adelheid Gottschalk
10.2 Herr Wolfgang Ewel
10.3 Frau Ingrid Nick
10.4 Herr Jens Thorissen.
Nochmals Dank und Anerkennung an alle.

Um im Bild der „Wegweiser“ zu bleiben Ein wichtiges Ziel erreicht man immer nur, wenn man sich selbst anstrengt und gute Wegweiser an seiner Seite hat. Wer auch immer diese wichtige Rolle in eurem Leben, liebe Entlassschülerinnen und -schüler, angenommen hat, dem gilt nicht nur in dieser Stunde ein besonderer Dank! Hier möchte ich besonders auch die Eltern erwähnen, die euch ständige Wegweiser waren und hoffentlich auch noch weiter bleiben. Ich danke Ihnen, liebe Eltern für die gute Zusammenarbeit in den vergangenen Jahren.

Nun noch einmal zu euch, liebe Entlassschüler. Euer Motto für den gelungenen Abschlussstreich lautete: „Ab in die Freiheit“. Ihr habt ein gutes Motto ausgewählt und es ist lohnenswert, über den Begriff der Freiheit etwas genauer nachzudenken. „Ab in die Freiheit“: das bedeutet natürlich zunächst mal eine „Freiheit von etwas“; von etwas, an das man gebunden war, das einen unfrei gemacht hat. Das war in eurem Fall die Schule:  morgens früh aufstehen, in der Schule mitarbeiten, Hausaufgaben machen, für Arbeiten lernen, den Lehrern gehorchen etc. Das waren bestimmt nicht immer ganz freiwillige Tätigkeiten; ihr wart mehr oder weniger dazu gezwungen.
Dieser Zwang fällt jetzt weg: „Ab in die Freiheit“. Aber was ist, was bedeutet diese Freiheit, in die euch die Schule jetzt entlässt? Ist damit eine völlige Freiheit gemeint? Wo man an nichts mehr gebunden ist, wo man völlig frei, schwerelos durchs Leben gleitet, ohne jegliche Bindung? Hier zeigt sich eigentlich so etwas wie die Doppeldeutigkeit der Freiheit:
Denn derjenige, der sich einfach nur treiben lässt, der tun und lassen kann, was und wann es ihm gerade Spaß macht, der bloß seine Leidenschaften befriedigt, erweist sich bei genauerem Hinsehen gerade als unfrei. Man kann das vielleicht ganz gut an einem Bild verdeutlichen:
Das Schiff, das den Fluss hinuntertreibt, ist sicherlich frei. Aber es ist so frei, dass es den Strömungen und Wirbeln des Flusses blind unterworfen ist. Und eigentlich ist es genau das Gegenteil von frei: total unfrei, ein Spielball der Wellen. Genauso ist der ein bloßer Knecht seiner Leidenschaften oder Triebe, der immer nur macht, was er gerade will, der immer bloß macht, wozu er gerade Lust hat. Er ist eigentlich so unfrei wie das Schiff auf dem Fluss.
Deshalb kann man nicht nur von einer Freiheit von etwas sprechen, sondern man muss auch von einer Freiheit zu etwas sprechen, nämlich:
Einer Freiheit, etwas zu tun, zu handeln. Und diese Seite der Freiheit bedeutet eine große Verantwortung. Man muss sich gut überlegen, wozu man seine Freiheit nutzen will, was man im Leben erreichen will. Dazu muss man sich Ziele stecken. Um diese Ziele zu erreichen, ist man sicherlich manchmal gezwungen, Dinge zu tun – man ist also auf den ersten Blick gar nicht immer frei. Aber bei genauerem Hinsehen erweist sich eigentlich hier erst die wahre Freiheit: Man unterwirft sich nämlich hierbei völlig freiwillig selbst gesetzten Zielen.
Wahre Freiheit zeigt sich also erst da, wo man souverän über sich und sein Leben verfügt, sich selbst bestimmt. Um noch mal das Bild vom Schiff auf dem Fluss zu bemühen: Erst, wenn man als Kapitän am
Steuer des Schiffes steht und das Schiff dahin steuert, wo man es hin haben will, vielleicht sogar gegen die Strömung, ist man frei. In diesem Sinn wünsche ich euch, dass ihr eure neu gewonnene Freiheit besonnen und in Verantwortung nutzt; ich wünsche euch die richtigen Entscheidungen, die euch ein selbstbestimmtes und zufriedenes Leben ermöglichen – auch wenn das, nicht zuletzt mit Blick auf die derzeitige Arbeitsmarktsituation, mit Sicherheit sehr oft sehr schwer sein wird:

Ab in die Freiheit.

Klaus Braun, Schulleiter