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Entlassungsfeier 2007

Rede des Schulleiters zur Entlassungsfeier am 19.06.2007

Liebe Entlassschülerinnen, liebe Entlassschüler
liebe Eltern und Verwandte unserer Schülerinnen und Schüler, liebe Kolleginnen, liebe Kollegen, meine sehr verehrten Damen und Herren!

Ich begrüße Sie alle zu der diesjährigen Entlassfeier der Anita-Lichtenstein-Gesamtschule. Ich freue mich, dass wiederum zahlreiche Gäste zu dieser Feier den Weg zu uns gefunden haben. Als Schulleiter einer Schule in städtischer Trägerschaft gilt natürlich ein besonderer Gruß dem Bürgermeister der Stadt Geilenkirchen, Herrn Andreas Borghorst, mit seinen Mitarbeitern Herrn Beigeordneten Brunen und der Leiterin des Schul-, Sport- und Kulturamtes Frau Ingrid Oeben. Ich freue mich, den Vorgänger von Herrn Borghorst, Herrn Franz Beemelmanns hier begrüßen zu können. Begrüßen möchte ich die Vertreter aus der Politik, den Kirchen, den Banken und Vertreter aus der Region. Nochmals allen ein herzlicher Willkommensgruß und der Wunsch, eine schöne Entlassfeier zu erleben. Im Mittelpunkt dieser Feier stehen natürlich unsere diesjährigen Schülerinnen und Schüler des 10. Jahrgangs.

 

So nahe liegend es im letzten Jahr war, bei einer Abschlussfeier Analogien zur Fußballweltmeisterschaft zu ziehen, so unausweichlich ist es in diesem Jahr an dieser Stelle auf den Aspekt zentraler Prüfungen einzugehen. Zur Lagebestimmung: Wir schreiben das Jahr eins nach Einführung des neuen Schulgesetzes. Noch in den Sommerferien 2006 hat der Ministerpräsident des Landes Nordrhein-Westfalen einen persönlichen Brief an alle Lehrerinnen und Lehrer geschrieben und ihnen versichert (ich zitiere) Wir vertrauen ihrer Kompetenz und Erfahrung in der Praxis [..], wir bitten Sie um Ihre Unterstützung für die umfassende Schulreform, denn es liegt vor allem in Ihrer Hand, ob unsere Kinder mehr Chancen bekommen. Ob dieser Vertrauensvorschuss unseres Landesvaters wirklich für alle Kollegien gilt, kann ich nicht sagen, aber mit Fug und Recht kann ich behaupten, dass hier an der Anita-Lichtenstein-Gesamtschule Lehrerinnen und Lehrer arbeiten, die auch ohne den Druck eines neuen Schulgesetzes engagiert ihre Aufgaben erfüllen.

Der Beweis für diese Behauptung sitzt hier vor mir, denn dass ihr, liebe Schülerinnen und Schüler, das erreicht habt, was euch heute durch ein Zeugnis bescheinigt wird, ist nicht zuletzt das Verdienst eurer Lehrerinnen und Lehrer. Ihnen sei an dieser Stelle herzlich gedankt. Besonderer Dank gilt dabei den Klassenlehrerinnen und Klassenlehrern, Frau Engländer, Frau Opdenberg, Herrn Bölingen und Herrn Claßen.

Danken möchte ich aber auch meinem Abteilungsleiter Jörg Gaab und dem Koordinator, unter anderem zuständig für Zentrale Prüfungen, Bernd Bonus. Das neue Schulgesetz hat uns nun also in diesem Jahr erstmalig zentrale Prüfungen am Ende der Jahrgangsstufe 10 und zum Abitur beschert. Im Vorfeld der zentralen Prüfungen hat es nicht an Unkenrufen gemangelt, die den Gesamtschulen des Landes prophezeiten, die zentralen Prüfungen würden eine Art Menetekel werden, wie im Buch Daniel1 der Bibel also ein sichtbares Zeichen, dass die Tage der Gesamtschulen gezählt seien, sie gewogen würden und dass sie dabei für zu leicht befunden würden. Auch hier kann ich nicht für andere Schulen sprechen. Wohl aber kann ich sagen, dass ihr euch mit dem bei den Zentralen Prüfungen Erreichten nicht zu verstecken braucht. Die gute Vorbereitung durch eure Kurslehrerinnen und Kurslehrer und natürlich nicht zuletzt euer eigenes Engagement haben zu schönen und vorzeigbaren Ergebnissen geführt. Viele von euch haben sich bei den Arbeiten in Deutsch, Englisch und insbesondere in Mathematik verbessert und damit alle die Lügen gestraft, die uns eine Flut von Abweichungsprüfungen vorhergesagt hatten. Ich gratuliere euch zu diesem Erfolg ganz herzlich.

Euer gutes Abschneiden ist dabei durchaus nicht selbstverständlich, denn schließlich sind eine Reihe wichtiger Entscheidungen und Vorgaben rund um eure zentralen Prüfungen erst in den letzten beiden Jahren getroffen worden. Sehen wir uns das einmal genauer an:
Die Kernlehrpläne sind erst seit August 2005 in Kraft. Diese Kernlehrpläne legen aber die inhaltlichen und prozessbezogenen Kompetenzen fest, die Grundlage eurer Prüfungen waren. Und insbesondere die Festlegung prozessbezogener Kompetenzen war dabei völlig neu. Der eigentliche Durchführungserlass, der dann auch eine Spezifizierung der erwarteten Fähigkeiten vornahm, erschien erst im April 2006. Weitere wichtige Regelungen wurden sogar erst im Laufe des aktuellen Schuljahres erlassen. Die notwendigen Formulare wurden den Schulen sogar erst im Februar diesen Jahres zur Verfügung gestellt.
So geriet die Frage nach einer angemessenen Vorbereitung auf diese Prüfungen an vielen Stellen zu einem Stochern im Nebel. Dass wir hier an der ALG offensichtlich in vielen Bereichen die richtigen Entscheidungen getroffen haben, hat sicher ein wenig mit Glück zu tun, hängt aber unmittelbar auch mit der Erfahrung und der Einsatzfreude der betroffenen Kolleginnen und Kollegen zusammen. Etwas anderes scheint mir aber viel wichtiger zu sein als der messbare Erfolg, der sich in Punkten und Noten ausdrückt. Auch der Gesetzgeber hat dies erkannt, denn noch vor der Forderung, die Schule möge Kenntnisse, Fähigkeiten und Fertigkeiten vermitteln, fordert § 2 des neuen Schulgesetzes die Erziehung zu Menschlichkeit, zur Demokratie, zur Freiheit und zur Achtung vor den Überzeugungen anderer. Ich möchte euch heute zurufen: Lasst euch nicht reduzieren auf die Durchschnittsnote eures Abschlusszeugnisses, lasst euch in eurem Leben nicht reduzieren auf die Höhe eures monatlichen Gehaltes. Euer Wert bemisst sich nichtan der Zahl der Zimmer eurer Wohnung oder eures Hauses und auch nicht an der PS-Zahl eures Wagens.

Das Maßband wird nicht um das Hirn und auch nicht um das Portmonee gelegt sondern um euer Herz. Ich bin der festen Überzeugung, dass ihr auch in dieser Hinsicht hier an der ALG viel lernen konntet, es fehlt jedenfalls nicht an guten Vorbildern. Es sei mir an dieser Stelle erlaubt, ein wenig abzuschweifen:
In die Freude über euren Erfolg mischt sich heute auch ein wenig Trauer, denn der Tag eures Abschieds bringt gleichzeitig auch den Abschied von zwei sehr verdienten Kollegen mit sich: zum Schuljahresende werden uns Herr Nieren und Herr Schlößer verlassen. Beide haben sie das Gesicht ALG im Inneren und nach außen hin in ganz besonderer Weise geprägt. Wenn ich euch heute etwas wünsche, dann dies: Dass ihr, wo immer ihr euren Platz im Leben finden werdet, ihr die euch übertragenen Aufgaben mit so viel Freude und Hingabe erfüllen könnt, wie diese beiden wertgeschätzten Kollegen. In dem Buch Die Schule neu denken von Hartmut von Hentig musste ich lesen (Zitat)
Die Schule von heute ist weit davon entfernt, Lebens- und Erfahrungsraum für lernende und sich bewährende Kinder [und Jugendliche] zu sein. Sie entlässt die jungen Menschen manchmal kenntnisreich, aber in jedem Fall erfahrungsarm, erwartungsvoll, aber orientierungslos.

Heute, am Tag eurer Schulentlassung, hege ich die begründete Hoffnung, dass diese harte Kritik am bestehenden Schulsystem auf euch und die ALG nicht zutrifft. Es war und ist unser erklärtes Ziel an dieser Schule ein Lernen mit Kopf, Herz und Hand zu ermöglichen, halt den ganzen Menschen zu bilden. So tritt in den naturwissenschaftlichen Fächern neben die Vermittlung der reinen Theorie stets auch das praktische Tun. Die Wände und Vitrinen unserer Schule sind voll von Zeugnissen, wie Schülerinnen und Schüler ihre Schule mitgestalten. Dies sind nur einige Beispiele dafür, dass die Schulzeit an der ALG für niemanden eine „erfahrungsarme“ Zeit sein muss. Und ich hoffe und wünsche schließlich auch, dass wir euch heute nicht „orientierungslos“ entlassen, dass vielmehr die zahlreichen Angebote zur Berufswahlvorbereitung inklusive der Praktika und der SII-Vorbereitung euch genauso zur Orientierung gedient haben wie die stete Gesprächsbereitschaft des bewährten Beratungsteams.

Der von mir schon zitierte Hartmut von Hentig hat in seinem Büchlein Warum muss ich zur Schule gehen? Die Bedeutung von Schule so zusammengefasst:
Kein Geschichtsbuch erzählt die Geschichte Deutschlands so anschaulich wie das heutige Zeughaus. Kein Biologiebuch führt uns die Pflanzen und Tiere so lebendig und vollständig vor wie der Botanische Garten, der Zoo und das Aquarium. Kein Physiklehrer zeigt die Bewegungen der Gestirne so „echt“ wie das Planetarium und macht sie so leicht verständlich. [Dennoch] braucht man [..] eine Schule: einen Ort, an dem kundige Menschen aus den vielen Teilen ein Ganzes machen – ein geordnetes Bild, einen sinnvollen Ablauf, eine Aufforderung zu denken und zu urteilen.

Die Schule kommentiert und ergänzt nicht nur, was man „draußen“ gesehen und erlebt hat; sie ist selbst ein Teil des Lebens. Ohne sie, ohne die Hilfen und Deutungen, die sie uns gibt, haben wir nur Einzelstücke in der Hand. So entlasse ich euch hinaus in ein Leben, auf das euch die Jahre hier an der ALG hoffentlich gut vorbereitet haben. Beschreitet euren Lebensweg kraftvoll und mutig und behaltet Staunen und Neugier angesichts der Dinge, die euch begegnen; geht verantwortungsvoll um mit Menschen und Dingen, die euch anvertraut werden und habt Freude an dem, was ihr tut.