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Abiturfeier 2007

Rede des Schulleiters zur Abiturfeier am 01.06.2007

Liebe Abiturientinnen und Abiturienten,
liebe Eltern und Verwandte unserer Schülerinnen und Schüler,
liebe Kolleginnen, liebe Kollegen,
meine sehr verehrten Damen und Herren!

Ich begrüße Sie alle zu der diesjährigen Abiturfeier der Anita-Lichtenstein-Gesamtschule. So freue ich mich, dass wiederum zahlreiche Gäste zu dieser Feier den Weg zu uns gefunden haben. Als Schulleiter einer Schule in städtischer Trägerschaft gilt natürlich ein besonderer Gruß dem Bürgermeister der Stadt Geilenkirchen, Herrn Andreas Borghorst, mit seinen Mitarbeitern Herrn Beigeordneten Brunen und der Leiterin des Schul-, Sport- und Kulturamtes Frau Ingrid Oeben. Der Vorgänger von Herrn Borghorst, Herr Franz Beemelmanns, hat uns eine Grußbotschaft zu dieser Feier geschickt, er ist leider terminlich verhindert.

Begrüßen möchte ich die Vertreter aus Politik, den Kirchen, den Banken und Vertretern aus der Region. Die Anita-Lichtenstein- Gesamtschule hat langjährige Wegbegleiter. Ich freue mich riesig, dass die Ehefrau des Ehrenratsherrn Hermann Wassen, Frau Christel Wassen, trotz gesundheitlicher Probleme hier zu uns gekommen ist. Auch Ihnen Frau Elfriede Goertz, Freundin unserer Namensgeberin, gilt ein besonders herzlicher Willkommensgruß. Nochmals allen ein herzlicher Willkommensgruß und der Wunsch, eine schöne Abiturfeier zu erleben.

 

Im Mittelpunkt dieser Feier stehen natürlich unsere diesjährigen Abiturientinnen und Abiturienten.So nahe liegend es im letzten Jahr war, bei einer Abschlussfeier Analogien zur Fußballweltmeisterschaft zu ziehen, so unausweichlich ist es in diesem Jahr an dieser Stelle auf den Aspekt zentraler Prüfungen einzugehen. Zur Lagebestimmung: Wir schreiben das Jahr eins nach Einführung des neuen Schulgesetzes. Noch in den Sommerferien 2006 hat der Ministerpräsident des Landes Nordrhein-Westfalen einen persönlichen Brief an alle Lehrerinnen und Lehrer geschrieben und ihnen versichert (ich zitiere)
Wir vertrauen Ihrer Kompetenz und Erfahrung in der Praxis [..], wir bitten Sie um Ihre Unterstützung für die umfassende Schulreform, denn es liegt vor allem in Ihrer Hand, ob unsere Kinder mehr Chancen bekommen.

Ob dieser Vertrauensvorschuss unseres Landesvaters wirklich für alle Kollegien gilt, kann ich nicht sagen, aber mit Fug und Recht kann ich behaupten, dass hier an der Anita-Lichtenstein-Gesamtschule Lehrerinnen und Lehrer arbeiten, die auch ohne den Druck eines neuen Schulgesetzes engagiert ihre Aufgaben erfüllen. Der Beweis für diese Behauptung sitzt hier vor mir, denn dass ihr das erreicht habt, was euch heute durch ein Zeugnis bescheinigt wird, ist nicht zuletzt auch das Verdienst eurer Lehrerinnen und Lehrer. Ihnen sei an dieser Stelle herzlich gedankt. Besonderer Dank gilt dabei natürlich eurem Tutor, Herrn Dr. Evertz und dem bewährten Team Beisner/Tischer.

Das neue Schulgesetz hat uns nun also in diesem Jahr erstmalig zentrale Prüfungen am Ende der Jahrgangsstufe 10 und zum Abitur beschert. Im Vorfeld der zentralen Prüfungen hat es nicht an Unkenrufen gemangelt, die den Gesamtschulen des Landes prophezeiten, das Zentralabitur würde eine Art Mene Tekel werden, wie im Buch Daniel1 der Bibel also ein sichtbares Zeichen, dass die Tage der Gesamtschulen gezählt seien, sie gewogen würden und dass sie dabei für zu leicht befunden würden. Auch hier kann ich nicht für andere Schulen sprechen. Wohl aber kann ich sagen, dass ihr das im Zentralabitur Erreichte nicht zu verstecken braucht.  Die gute Vorbereitung durch eure Kurslehrerinnen und Kurslehrer und natürlich nicht zuletzt euer eigenes Engagement haben zu schönen und vorzeigbaren Ergebnissen geführt. Deutlich geworden ist dabei, dass wir hier an der ALG hinsichtlich der Entscheidung für die fachlichen Inhalte und hinsichtlich des Leistungsniveaus voll den Punkt getroffen haben. Es ist für mich sehr beruhigend – auch wenn ich natürlich gar nichts anderes erwartet hatte - dass es bei diesem ersten Zentralabitur keinerlei signifikante Abweichungen der Noten in den Abiturklausuren von den Noten der vorherigen Klausuren gab. Die Streuung lag genau in dem Bereich, den wir seit Jahren bei Abiturprüfungen beobachten. Das bedeutet – und das muss einmal in aller Deutlichkeit gesagt werden – dass es an Gesamtschulen kein Abitur zweiter Klasse gab und gibt. Leider scheint das in vielen Köpfen noch nicht verankert zu sein. Wie sonst soll man die Frage eines Fachleiters verstehen, der kürzlich einen unserer Referendare hospitiert und sich allen Ernstes erkundigt, welche Art von Abiturklausuren denn an der Gesamtschule geschrieben worden seien.

Etwas anderes scheint mir aber viel wichtiger zu sein als dieser messbare Erfolg, der sich in Punkten und Noten ausdrückt. Auch der Gesetzgeber hat dies erkannt, denn noch vor der Forderung, die Schule möge Kenntnisse, Fähigkeiten und Fertigkeiten vermitteln, fordert § 2 des neuen Schulgesetzes die Erziehung zu Menschlichkeit, zur Demokratie, zur Freiheit und zur Achtung vor den Überzeugungen anderer. Ich möchte euch heute zurufen: Lasst euch nicht reduzieren auf die Durchschnittsnote eures Abiturzeugnisses, lasst euch in eurem Leben nicht reduzieren auf die Höhe eures monatlichen Gehaltes. Euer Wert bemisst sich nicht an der Zahl der Zimmer eurer Wohnung oder eures Hauses und auch nicht an der Leistung eures Wagens. Das Maßband wird nicht um das Hirn und auch nicht um das Portmonee gelegt, sondern um euer Herz.

Ich bin der festen Überzeugung, dass ihr auch in dieser Hinsicht hier an der ALG viel lernen konntet, es fehlt jedenfalls nicht an guten Vorbildern. Unser Bundespräsident hat Ende des Jahres 2006 eine viel beachtete Berliner Rede in der Kepler-Oberschule in Berlin-Neukölln gehalten. Nach meiner Meinung sollte diese Rede zur Pflichtlektüre aller gehören, die sich mit Bildung beschäftigen. Grundtenor ist, dass Bildungschancen Lebenschancen sind. Er kritisiert:
„In Deutschland erwerben vergleichsweise wenig junge Menschen die Hochschulreife, und zu wenige schließen ein Studium ab. Weiter geht er auf die Entwicklung von Bildung und Erziehung in Deutschland ein. Er beschreibt sehr intensiv, was wir brauchen „ um in unserem Land mehr und bessere Bildung zu erreichen.“

Hier stellt er heraus, dass Bildung Anerkennung, Anstrengung und Vorbilder braucht. Ich hoffe und weiß, dass ihr in Eltern, Nachbarn, Trainern, Lehrern, Klassenkameraden Vorbilder gefunden habt oder haben werdet. Seit Ostern befinden sich die Schulen in NRW im Prüfungsstress, der immer noch nicht beendet ist. Auch das gehört dazu, wenn man auf das neue Schulgesetz hinweist. Ich möchte hier einfach zwei Aussagen aus der  Berliner Rede des Bundespräsidenten ohne weiteren Kommentar zitieren:
„Gutes Lernen findet nicht allein im Klassenzimmer und nicht nur während der Unterrichtszeit statt. Und gute Schule gibt den Kindern möglichst viel Gelegenheit zu Erfolgserlebnissen. Darum brauchen die Schulen nicht  nur Lehrpläne, Stellen- und Budgetpläne, sondern sie benötigen innerhalb dieser Pläne auch Freiheit für eigene Gestaltungsideen. …"

Für all das brauchen Schulen aber auch Ruhe. Schließlich weist der Präsident darauf hin:
Deshalb müssen wir den Mut und die politische Kraft haben, Anderes zugunsten der Bildung zurückzustellen. Bildung ist die wichtigste Investition, die unsere Gesellschaft und jeder einzelne tätigen kann. Hier zitiert der Bundespräsident John F. Kennedy :
„ Es gibt nur eine Sache auf der Welt, die teurer ist als Bildung – keine Bildung.“

Liebe Abiturientinnen und Abiturienten, habt Nachsicht mit meinem kleinen Exkurs in die Welt der Bildungspolitik! „Wat mutt, dat mutt!“ sagt man in anderen Regionen. Wenn ich euch heute etwas wünsche, dann dies:  Dass ihr, wo immer ihr euren Platz im Leben finden werdet, die euch übertragenen Aufgaben mit viel Freude und Hingabe erfüllen könnt. Eine der wichtigsten menschlichen Fähigkeiten solltet ihr im bisherigen Leben gelernt und auch hoffentlich hier an dieser Schule gelernt haben, Sozialkompetenz. Ein großes Wort, im Kleinen ganz einfach und doch unendlich schwer, den richtigen Weg zu finden. So etwa, das richtige Maß an  Vertrauen oder Misstrauen zu finden. Frei nach Nestroy, geht es darum, die Balance zu finden zwischen zu großem Vertrauen, was er als Dummheit bezeichnet, oder zu großem Misstrauen, was für ihn ein großes Unglück darstellt!

Soziales Empfinden setzt aber auch voraus, nicht nur mit den Augen zu sehen. In Anlehnung an Antoine de Saint-Exupery: die blutige Nase ist unübersehbar, die blutige Seele ist nur für das Herz sichtbar! Für euren weiteren Lebensweg wünsche ich euch von Herzen alles Gute.