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Konzertlesung zum Gedenken an die Pogromnacht

Begrüßungsrede des Schulleiters, Herrn LGED Böken, anlässlich der Konzertlesung zum 75. Jahrestag der Novemberpogrome von 1938 am 09.11.2013:

Sehr geehrte Frau Emge, sehr geehrter Herr Emge,
verehrte Familie Stapf/Klein-Richter,
sehr geehrte Frau Krumpen,
sehr verehrte Damen und Herren,
liebe Schülerinnen und Schüler,
liebe Kolleginnen und Kollegen,
verehrte Gäste,

„Wer nur ein einziges Leben rettet, rettet die ganze Welt.“

Dieser Vers aus dem Talmud war in den aus Zahngold jüdischer Häftlinge hergestellten Ring graviert, den die Schindler-Juden ihrem Retter Oskar Schindler im Mai 1945 als Dank überreicht haben. Ich denke, wir alle kennen die Szene aus Steven Spielbergs Film. Oskar Schindler hat nicht nur einen Menschen gerettet, aber einer der von Schindler geretteten Menschen ist heute unser Gast. Sehr geehrter Herr Emge, wir sind sehr dankbar, dass Sie heute Abend hier zusammen mit Ihrer Gattin bei uns sind, und sehen es als sehr große Ehre, dass Sie trotz Ihrer schweren Krankheit heute den Weg nach Geilenkirchen in eine Schule gefunden haben, deren Namensgeberin Anita Lichtenstein den NS-Schergen nicht entkommen konnte.

Der Anlass unserer heutigen Veranstaltung ist ein sehr trauriger. Heute vor 75 Jahren fand in diesen Stunden auch in den Geilenkirchener Straßen das statt, was letztlich die Wege nach Auschwitz und in die anderen Vernichtungslager bereitet hat. Menschen, mit denen ihre jüdischen Mitbürger zuvor lange Zeit Tür an Tür gelebt hatten, erhoben unter Duldung der staatlichen Ordnungshüter und unter ausdrücklicher Unterstützung des Nazi-Regimes die Hände und die Waffen.

Die Schulgemeinde der Anita-Lichtenstein-Gesamtschule gedenkt in jedem Jahr dieses schlimmen Datums der deutschen Geschichte. Wir tun dies ohne drohenden Zeigefinger und ohne dass wir in den Schülerinnen und Schülern ein Schuldgefühl provozieren wollen; wir tun dies in der Überzeugung, dass es unsere vordringliche Aufgabe ist, dafür zu sorgen, dass sich ähnliche Szenarien in keiner Weise mehr wiederholen; nicht hier in unserer direkten Umgebung, aber auch nirgends sonst. An den Ereignissen vor 75 Jahren tragen wir heute Lebenden keine Schuld, wenn wir allerdings ein auch nur partielles Vergessen oder Verdrängen der damaligen Ereignisse zulassen, laden wir auch heute aktiv Schuld auf unsere Schultern.

Neben dem traditionsgemäß durchgeführten Gang zum jüdischen Friedhof begeht die Schulgemeinde das Gedenken in diesem Jahr in Kooperation mit der Anton-Heinen-Volkshochschule des Kreises Heinsberg, der Stadt Geilenkirchen, der Buchhandlung Lyne von de Berg sowie dem Bundesprogramm „Toleranz fördern – Kompetenz stärken“ mit einer einzigartigen musikalischen Lesung unter dem Thema „Spiel mir das Lied vom Leben“.

Das gleichnamige Buch von Angela Krumpen handelt vom Leben des Mannes, der sich Michael Emge nennt, und der nur deshalb überlebt hat, weil sein Name auf einer der Listen des Oskar Schindler verzeichnet war, sowie von der fragenden Auseinandersetzung der jungen Violinistin Judith mit eben dieser Lebensgeschichte. Die Violine stellt die Brücke zwischen Judith und Herrn Emge dar, eine Brücke über die Generationen-grenzen hinweg. Die Sprache der Musik vermag nicht nur Generationengrenzen zu überwinden, sondern kann auch die Fesseln von Unterdrückung und Gewalt zumindest zeitweise vergessen lassen. So haben sich die Gefangenen von Auschwitz-Birkenau die Freiheit der Gedanken im Frauenorchester erhalten können, die Moorsoldaten des Lagers Börgermoor im Moorsoldatenlied.

Ich freue mich sehr, sehr geehrter Herr Emge, dass Sie heute mit Ihrer Gattin unsere Gäste sind. Viele Veranstaltungen ähnlicher Art in der Vergangenheit und insbesondere die heutige hier bei uns, waren und sind Ihnen so wichtig, dass Sie diese trotz Ihrer sehr angeschlagenen Gesundheit wahr-genommen haben und heute hier wahrnehmen. Dafür gebührt Ihnen der tief empfundene Dank der gesamten Schulgemeinde der Anita-Lichtenstein-Gesamtschule.

Wir freuen uns, dass Sie, sehr geehrte Judith Stapf, heute mit Ihren Eltern hier bei uns zu Gast sind und uns auch an Ihrer wunderbaren Kunst teilhaben lassen. Liebe Judith Stapf, die Violine hat Sie über das musikalische Thema aus dem Spielberg-Film „Schindlers Liste“ zur Beschäftigung mit dem Holocaust gebracht. Sie haben blitzschnell verstanden, dass man den historischen Hintergrund des Stückes kennen muss, um in das Spiel das richtige Maß an Gefühl einfließen zu lassen. Eine Begegnung nach Ihrer Aufnahmeprüfung an der Kölner Musikhochschule mit Herrn Emge,  der zum gleichen Zeitpunkt eine Radiosendung über sein Leben beendet hatte, und der daraus hervorgegangenen Auseinandersetzung mit dem Leben dieses Mannes verdanken wir eines der nahe gehenden Bücher, das ich in den letzten Jahren gelesen habe. Liebe Judith Stapf, neben der Beschäftigung mit dem Leben des Herrn Emge, bei der die Violine gleichsam als Brücke zwischen den Generationen und den Religionen wirkt, hat mich Ihre musikalische Vita in höchstem Maße beeindruckt. Unseren Respekt für das, was Sie bereits in Ihrem noch sehr jungen Leben musikalisch geleistet haben.

Ich freue mich, auch Sie, sehr geehrte Frau Krumpen, hier heute begrüßen dürfen, haben Sie doch die einzigartige Begegnung zweier Personen und Generationen in beeindruckender Weise angestoßen und verschriftlicht. Schon jetzt meinen Dank für Ihre Moderation des heutigen Abends.

Ein herzliches Willkommen dem ersten Bürger unserer Stadt; sehr geehrter Herr Bürgermeister Fiedler, die Musik ist auch für Sie ein hohes Gut, wir freuen uns, dass Sie heute bei uns sind und danken Ihnen schon jetzt für Ihr Grußwort.

Ein sehr herzlicher Willkommensgruß gilt der Freundin unser Namensgeberin Anita Lichtenstein, Frau Elfriede Goertz, die die Entwicklung dieser Schule schon über eine sehr lange Strecke begleitet; schön, dass Sie auch am heutigen Tag wieder bei uns sind.

Ich begrüße die Vertreterinnen und Vertreter der Anton-Heinen-Volkshochschule des Kreises Heinsberg, der Stadt Geilenkirchen sowie der örtlichen Buchhandlung Lyne von de Berg und bedanke ich mich für die Unterstützung dieser Veranstaltung und die Übernahme der damit verbundenen Kosten. Besonderer Dank Ihnen, sehr geehrter Herr Bürgermeister und Ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, dass die Stadt die Veranstaltung nicht nur aus Eigenmitteln, sondern auch aus Mitteln des Projektes „Toleranz fördern – Kompetenz stärken!“ unterstützt.

Besonders freue ich mich, dass am heutigen Abend neben einigen meiner sehr persönlichen Wegbegleiter eine große Zahl Interessierter den Weg zu uns gefunden hat. Meine sehr verehrten Damen und Herren, Ihnen allen ein herzliches Willkommen!

Dieser Abend wird Ihnen ohne Eintritt angeboten, ich möchte Sie jedoch auf die Spendengefäße hinweisen, die Sie nach der Veranstaltung am Ausgang vorfinden werden. Mit Ihrer Spende an unseren Förderverein ermöglichen Sie uns auch weiterhin, mit unseren gesamten neunten Jahrgangsstufen das Vernichtungslager Auschwitz sowie Krakau auf den Spuren Oskar Schindlers besuchen zu können.

Ich danke allen, die zum Gelingen des heutigen Abends ihren Beitrag geleistet haben, denen, die für sie alle sichtbar geholfen haben, aber auch denen, die unsichtbar im Hintergrund zum Gelingen beigetragen haben! Die Liste ist eine sehr lange, daher möchte ich hier auf Einzelnennung verzichten. Ihnen allen ein herzliches Dankeschön!

Schließen möchte ich mit den Worten Alice Herz-Sommers, die als Pianistin im Lager Theresienstadt aufspielen musste, wenn die Delegationen des Roten Kreuzes zur Besichtigung kamen, Zeilen mit denen Angela Krumpens Buch beginnt:

„Music is God. In difficult times you feel it, especially when you are suffering.“ („Gott ist Musik. Das fühlst du in schlechten Zeiten, besonders, wenn du leidest.”)   Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit, schon jetzt herzlichen Dank für Ihre Spende!

Shalom!