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Anita Lichtenstein - Ein Name, der verpflichtet

Seit etwa 200 Jahren sind jüdische Einwohner in Geilenkirchen nachgewiesen. Sie waren angesehene Kauf- und Handelsleute. Bis zu ihrer Vertreibung zählte die jüdische Gemeinde etwa 130 Mitglieder. Sie hatte ihre eigene Synagoge, ihren Friedhof und ihren Religionslehrer.

Anita LichtensteinIn dieser Gemeinde lebten auch Anita und ihre Eltern. Anita war das einzige Kind. Ihr Urgroßvater väterlicherseits, Hermann Lichtenstein, war Pferdehändler in Waldenrath. Der Großvater war ebenfalls Pferdehändler und von Straeten nach Geilenkirchen gezogen. Anitas Mutter Johanna, geb. Hartoch, kam aus Essen-Rüttenscheid. Vater Sally Lichtenstein führte den Pferdehandel seines Vaters weiter. Nachdem in der Landwirtschaft der Traktor das Pferd immer mehr verdrängte, bot der Pferdehandel kein ausreichendes Einkommen mehr. So betrieb Vater Lichtenstein eine Hühnerfarm. Seit 1933 sah sich die jüdische Bevölkerung immer größeren Schikanen und Diskriminierungen ausgesetzt. Ein vorläufiger Höhepunkt war die Pogromnacht vom 09. November 1938. In dieser Nacht wurden die Geilenkirchener Juden aus ihren Häusern vertrieben und zur niederländischen Grenze gebracht. Die niederländischen Behörden verweigerten die Einreise. So kehrten sie wieder in ihre Häuser zurück. Manche verließen dann Geilenkirchen freiwillig, um zu auswärtigen Verwandten oder zu Freunden in der Umgebung Geilenkirchens zu gehen.

So zogen Anita und ihre Eltern zur Schwester von Sally Lichtenstein nach Düren, weil sie sich dort wohl sicherer fühlten, als in Geilenkirchen. Schreinermeister Schiffers erinnerte sich, dass er als Schüler die Vertreibung beobachtet hatte. Er sah, wie Familie Lichtenstein nur mit einigen Taschen bepackt aus ihrem Haus in der Martin-Heyden-Straße getrieben wurde. Dabei hörte er die fünfjährige Anita fragen: "Mutti wohin gehen wir?" Doch die Mutter konnte dem Kind keine Antwort geben.

Nach etwa zwei Jahren wurden die jüdischen Mitbürger Dürens, zu denen ja mittlerweile auch die Lichtensteins gehörten, in das Sammellager „Gerstenmühle“ in Düren verbracht. In dieses Lager kam dann im März 1941 auch Elfriede van der Weyden, ein Mädchen aus Düren, zusammen mit ihrer jüdischen Mutter. Anita und Elfriede freundeten sich im Sammellager an.

Familie LichtensteinElfriede war wie ihr Vater katholisch getauft. Während Elfriede am Weißen Sonntag 1942 Erstkommunion feierte, wurde ihre Mutter in der Kirche verhaftet und später in das Konzentrationslager Theresienstadt gebracht.

Elfriede wurde zunächst von einer Familie aus Düren mit nach Hause genommen und später von ihren Pflegeeltern in einem Waisenhaus versteckt. So konnte sie die schreckliche Zeit überleben und nach dem Krieg ihre Mutter wieder finden.

Als Elfriede und ihre damals neunjährige Freundin Anita sich trennen mussten, bat Anita: "Elfriede, verwahr mir bitte die Puppe. Von Dir weiß ich, dass Du sie mir zurückgeben wirst. Du darfst auch damit spielen." Danach wurde Familie Lichtenstein ins Konzentrationslager Maydanek gebracht, wo sie wie unzählige ihrer jüdischen und anderen Leidensgenossen ermordet wurde. Als Todeszeitraum nimmt man den Oktober 1942 an. Die Todeserklärung lautet auf den 1. Oktober.

Es steht mit Sicherheit fest, dass außer der Familie Lichtenstein noch mindestens 85 Mitglieder der jüdischen Gemeinde Geilenkirchens in den Konzentrations- und Vernichtungslagern ermordet worden sind. Das Schicksal wollte es, dass Elfriede van der Weyden nach ihrer Hochzeit als Elfriede Goertz nach Geilenkirchen kam. Die Puppe, die Elfriede, also Frau Goertz, bis heute liebevoll verwahrt hat und auch restaurieren ließ, ist das einzige Sichtbare, das uns heute an Anita Lichtenstein erinnert.

© Anita-Lichtenstein-Gesamtschule
Pestalozzistraße 27
52511 Geilenkirchen

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